Die Tage fühlen sich seltsam an. Gestern vor einem Jahr bin ich 30 geworden. Ich war in der 22. Woche schwanger und zugegebenermaßen ein wenig verärgert, dass ich an diesem einmaligen Tag mit Wasser auf so einen runden Geburtstag anstoßen muss. Verdammt, ich wurde 30! Rund war der Tag in der Tat. Und ich eigentlich ziemlich glücklich, denn ich trug ein kleines Wunder unter meinem Herzen. Da ahnte ich noch nicht, dass sich nur 2 Tage später mein Leben schlagartig verändern würde.
In der Nacht zu gestern packte mich die “Wieder ein Jahr rum – Melancholie” und ich musste daran denken, wie das vor einem Jahr so war. Dass ich damals noch völlig unbeschwert war und mich unbändig darauf freute, dass ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Selbst heute bin ich noch manchmal wütend, weil ich einfach nicht gemerkt habe, dass da etwas nicht stimmt. Sagt man Müttern nicht diesen Instinkt nach? Und ich bin wütend, dass der neue Lebensabschnitt so ganz anders ist, als ich mir das vor 366 Tagen noch schillernd ausgemalt habe. Wie heißt es so schön?
Life is what happens while you are busy making other plans.
John Lennon
Vorgestern, gestern und immer wieder frage ich mich, ob diese Tage – mein Geburtstag und unser Hochzeitstag – irgendwann wieder frei davon sein werden. Dass es irgendwann wieder nur MEIN Geburtstag ist und nicht der Tag, an dem ich 30 wurde und keine Ahnung hatte, was 2 Tage später passieren wird. Dass der 26. September irgendwann wieder der Tag ist, an dem wir 2009 geheiratet haben und nicht der, an dem wir stumm vor Fassungslosigkeit auf diesen riesigen Ultraschallmonitor starrten und die niederschmetternde Diagnose hörten, dass unser Baby krank ist.
Es beschäftigt mich immer noch sehr. Ich würde es so gern abschütteln, wenn ich könnte, aber diese Erinnerung ist so präsent und liegt über diesen Tagen wie ein grauer Schleier.
Das letzte Jahr war seltsam. Ambivalent. Jedes Hoch hatte ein Tief im Gepäck. Jede gute Nachricht wurde durch eine schlechte revidiert. Oder andersrum. Angst und Hoffnung wechselten sich immer wieder ab. Und ich steckte irgendwo mittendrin.
Das letzte Jahr war anstrengend. Es hat Kraft gekostet. Und Nerven. Ich habe Federn gelassen. Wir alle irgendwie.
Und trotzdem fand ich 30 sein gar nicht so übel. Ich habe nie so viel geweint wie in diesem Jahr (gut, als Kind vielleicht, aber nicht mehr in den letzten 25 Jahren…). Und ich habe nie so sehr geliebt wie in diesem einen Jahr. Es gab Momente, in denen ich glücklicher war als jemals zuvor in meinem Leben, Momente, in denen ich all den Ärger und die Sorgen vergessen habe. Es gab so viele Tage, an denen ich die Welt umarmen wollte und trotzdem auch mindestens genauso viele, an denen ich mich allein und irgendwo ganz weit weg wünschte. Mein Leben war nie so bunt und grau zugleich, nie so intensiv und doch lähmend, nie so laut und still, nie so aufregend und leidenschaftlich. Das Leben tat nie so weh und schmeckte doch so gut! Ich bin froh und dankbar über dieses Jahr – auch wenn vor einem Jahr die Welt über mir zusammenbrach.