Heute vor 9 (NEUN!!!) Jahren fand im Frisian Expo Center (kurz: FEC) in Leeurwarden der Domino Day 2005 statt. Mit dabei ich, blutjunge 22 Jahre alt, Jura-Studentin im 2. Semester und leidenschaftlicher Holland-Fan.
Wenige Monate zuvor hatte ich bei einem Promotion-Job eine junge Frau kennengelernt, die mir von ihrem Aufenthalt in Holland vorschwärmte. Ich hörte nur Holland, bohrte nach und erfuhr, dass sie im Vorjahr 8 Wochen lang in Holland die Steine für den alljährlichen Domino Day aufstellt. Aha, Domino Day. Kannte ich. Hatte ich schon mal im Fernsehen gesehen. Und wenn mich so ein Job 8 Wochen lang in MEINEM Land leben ließe, wollte ich das auch. Also bewarb ich mich im Sommer (EINEN Tag vor Einsendeschluss) bei RTL und rechnete nicht im Traum damit, dass ich wenige Tage später zum Casting nach Köln eingeladen werde. Ok, eingeladen ist etwas verschönt, denn Flug und Unterkunft musste ich selbst bezahlen. Aber hey, es ging immerhin um Holland und meine Freundin Eva hatte ich schon eine Weile nicht mehr in Duisburg besucht.
Also flog ich nach Köln, ging zum Casting, erzählte denen von RTL auch ganz offen, dass ich das hauptsächlich machen will, um mal ne Weile in Holland zu leben, spielte ein wenig vor laufender Kamera mit Domino Steinen rum und bekam keine Woche später den Anruf, dass ich dabei wäre. Oh! Hoppla…
Das Abenteuer begann am 25.09.2005, einen Tag nach meinem 22. Geburtstag. Meine Euphorie war nicht mehr ganz so groß, als ich mich im Dunkeln von meiner Mutter und meinem Mann (damals noch Freund) verabschiedete.
ICH, die noch als 12-Jährige wegen Heimweh von einem Wochenende mit der Freundin abgeholt werden musste, zog plötzlich für 8 Wochen in ein anderes Land. Meine Stimmung sank mit jedem Kilometer, den mich die Bahn weiter von Berlin wegbrachte. In Bremen traf ich auf andere deutsche Teilnehmer und gemeinsam legten wir die letzte Strecke nach Leeuwarden zurück, wo uns ein organisiertes Taxi aufsammelte und nach Grou, einem kleinen Ferienort in Friesland brachte. Dort war also unsere Unterkunft für die kommenden 8 Wochen.
Wir wohnten international gemischt zu Viert in Ferienhäusern auf einem Campingplatz.
Gar nicht so übel – mein Domizil für 8 Wochen |
Verpflegt wurden wir auch während der 2 Monate. Nur am Wochenende nicht. Aber das war nicht schlimm, denn entweder war ich am Wochenende in Berlin (Ja, unser deutscher Trupp fuhr jeden Freitagabend nach 18 Uhr in Richtung Heimat, wo ich dann gegen Mitternacht ankam) oder die Freitags- und Samstagsparties waren so ausgiebig, dass Essen das letzte war, woran man am Wochenendmorgen dachte.
Von Montag bis Freitag bauten wir 8 Wochen lang 4.321.000 Domino Steine unter dem Motto “Domino Theatre of Eternal Stories” auf, lernten Techniken, wechselten Teams und wurden eine große internationale Familie aus knapp 100 Buildern und Coaches.
Gebaut wurde zwischen 9 und 18 Uhr, immer 1,5 Stunden, dann gab es eine Pause. Die war auch bitter nötig, denn wir saßen, hockten oder lagen auf dem Boden, hingen irgendwo oder standen zwischen bereits aufgebauten Steinen, die ja um Gottes Willen bloß nicht wieder umfallen durften. Nicht vor der großen Fernsehshow am 18. November 2005.
Und manche Morgende begannen eben mit Magnesium… |
Ich liebte diese Arbeit! Die Stille, die Konzentration. Ich bin ein Mensch aus der Schublade ungeduldig, kann nie lange eine Sache machen, aber dort habe ich in so kurzer Zeit so viel über mich selbst gelernt, wie noch nie zuvor. Und ich habe diese Stille genossen. Kaum vorstellbar, wenn über 100 Menschen in einer großen Expo Halle arbeiten.
NICHT zittern. Ich hab’s doch getan. Das Feld fiel. Komplett. Aber ich durfte es allein wieder aufbauen. Entgegen der üblichen Policy. Immerhin. |
Natürlich passierte mir auch das, was eigentlich niemandem passieren sollte: Ich habe ganze Felder “gerissen”. Eine Millisekunde der Unachtsamkeit und zack war’s passiert. Die Kettenreaktion nahm seinen Lauf und die Arbeit mehrerer Stunden oder Tage war dahin. Blöd. Ein bißchen peinlich. Aber eigentlich war es auch ok. Passiert eben. Es gab dann eine Pause, um den Kopf von der Schuld freizukriegen, bei einigen auch Tränen (wenn das gefallene Feld mal eben über 10.000 Steine hatte) und dann ging es motiviert weiter. An anderen Projekten versteht sich, um unbelastet weitermachen zu können.
Die Steine im Notre Dame habe ich auch aufgebaut. Gebückt, gebeugt, in die hinterletzte Ecke gezwängt. Und wieder passte ich nicht auf und alles fiel in einer laut rasselnden Kettenreaktion. Mist! |
So bauten wir, Tag für Tag, Woche für Woche und kamen dem erklärten Ziel nahe, 4.321.000 Domino Steine aufzustellen. Wenn da nicht… Ja wenn da nicht 2 Wochen vor der Show plötzlich ein Spatz in die Halle geflogen wäre und 23.000 der aufgestellen Steine umgeschmissen hätte. Ein Kammerjäger erledigte die Angelegenheit und ab dem Tag durften wir nur noch unter Begleitschutz und ja nicht mehr in den “gebrandeten” Sachen (die wir sonst in der Öffentlichkeit tragen sollten) umherlaufen. Halb Holland war hinter uns hinterher. Eine Hetzjagd der Presse und Tierschützer. Ich frage mich bis heute, wie der Spatz in die Halle kam, durch mehrere Türen und Luftschleusen hindurch. Hatte er Komplizen oder war er vielleicht auch einfach nur ein probates Mittel der modernen PR Arbeit…?
Wie dem auch sei, die Halle füllte sich mit Steinen und in den letzten Tagen vor der Show durften nur noch ausgewählte Aufbauer die Halle betreten, um auf Zehenspitzen und in gebückter Haltung die letzten, etwa 10cm breiten “Sicherheitslücken” zu schließen und damit mehrere Felder von 100.000den Steinen zu verbinden. Ich war eine dieser ausgewählten Aufbauer und ich kann euch sagen: Mir ging der Arsch dabei gehörig auf Grundeis. Die Verantwortung, 2 Kleinkinder Tag und Nacht zu versorgen, ist lächerlich im Vergleich zu der Verantwortung, in unmöglicher Position eine ruhige Hand zu behalten, damit nicht wenige Stunden vor einer international ausgestrahlten Fernsehshow mit Millionen Zuschauern das ganze Projekt scheitert. Aber es ging alles gut, ich habe meinen Job ordentlich gemacht und mich zusammengerissen, nicht zu zittern, zucken oder loszuniesen.
Üben für die Builder’s Challenge, die Teil der Live-Show war. |
Am 18. November 2005 war es dann soweit. Ein letzter Anruf nach Hause, eine Stimmung, die minütlich zwischen Anspannung, Ausgelassenheit, Erleichterung, Freude und Angst schwankte. Ein kurzer Schnack mit Frauke Ludowig, Wolfram Kons und Ulli Potofski. “Leute, die Zuschauer zu Hause vor den Bildschirmen wollen Emotionen sehen! Zeigt uns, was ihr in den letzten 8 Wochen vollbracht habt!” Ja. Ähm. Ok. Fernsehen eben. Anastacia stieß den ersten Stein an und 2 Stunden später stand endlich fest: Wir haben den Weltrekord gebrochen.
Am Ende fielen von den 4.321.000 Domino Steinen tatsächlich 4.002.136 Steine (Wikipedia sei Dank, denn DAS hätte ich heute nicht mehr gewusst!).
Die angezeigte Zahl von 4.155.476 Steinen wurde nachträglich vom Notar runterkorrigiert. |
Nach der Show. Geschafft. Mr. Domino Robin Weijers mit uns deutschen Aufbauern (in Pink). |
Ich erinnere mich schwach, dass ich Wolfram Kons noch in den Armen lag, sein komplettes Buch zur Show (mit dem er moderiert hatte) geschenkt bekam und dann in den Party-Bus gestiegen bin. Ab hier behalte ich die Details besser für mich. Nur so viel: Ich stieg Sonntagmorgen (2 Tage nach der Show) ziemlich verkatert und stark grobmotorisch, mit 25 Kilo Reisegepäck ins Flugzeug Richtung Berlin. Mit schwerem Herzen, tausenden Erinnerungen und der Gewissheit, den verrücktesten Job meines Lebens gemacht zu haben!
Katarina
18/11/2014 at 07:54 (10 Jahren ago)Einfach nur cool. Wirklich cool. Ich bin ganz beeindruckt!
Familienbetrieb
18/11/2014 at 17:47 (10 Jahren ago)Was für eine coole Geschichte. Ich habe das damals immer gerne geschaut. Und jetzt habe ich auch meine fünf Minuten Ruhm, denn ich kann sagen, ich kenne jemanden persönlich, der beim "Domino Day" mitgemacht hat!<br /><br />LG, Christian
Mama on the rocks
18/11/2014 at 17:53 (10 Jahren ago)Wie Klasse ist das denn ! Supermegatoll! Gerne gelesen 🙂