Manchmal liest man etwas und noch während die Augen über die Zeilen fliegen, denkt man stumm “Ja. JAAA! Du hast so Recht. Genauso geht es mir auch…”
Meine liebe Blogger-Freundin Anna von berlinmittemom hat kürzlich in der Huffington Post einen Artikel veröffentlicht. Es ist ein wunderbarer Artikel, der unter die Haut geht. Ein Artikel, den besonders Mütter von Töchtern lesen sollten. Denn er handelt von Selbstliebe – für unsere Kinder.
Anna ist Mutter von 3 wunderbaren Kindern. Ich kenne ihre Kinder leider nicht persönlich, aber ich kenne Anna und ich kenne ihren Mann Markus und die beiden sind die lebendige Symbiose des Wunderbaren.
Anna stellt sich einem Thema, das zwar viel diskutiert, aber in dieser Facette bisher viel zu wenig beleuchtet ist: Dem Umgang mit unserem Körper als Mutter. Wir betrachten unser eigenes Spiegelbild mit den Augen einer Frau, einer sehr kritischen Frau. Egal was wir sehen, wir müssen trotzdem als Mutter agieren und Vorbild sein. Für unsere Kinder. Besonders für unsere Töchter!
Ich mache es mir leicht und behaupte, dass die Medien, nein vielleicht sogar die Gesellschaft uns, Frauen und Männern, ein Ideal aufzwingen. Die Vorstellung von der Schönheit eines Frauenkörpers. Groß, schlank, mit dünnen Beinen, schmaler Taille, vollbusig, mit tollen, dicken Haaren, einem Porzellan-Teint… Ach ich könnte diese Liste ewig fortführen… Ich kenne wenige, die ganz offen sagen “Mir doch egal, ich bin wie ich bin.” Ich glaube sogar ganz sicher, dass jede Frau mehr als einmal in ihrem Leben überkritisch vor ihrem Spiegelbild steht und aus dem FF all jene Körperstellen zeigen kann, mit denen sie unzufrieden ist.
Warum ist das so? Wie konnte der Gedanke in uns kommen, dass unsere Oberschenkel zu dellig, unser Po zu dick, unser Bauch zu wabbelig und unser Busen zu klein, zu groß, zu hängend, zu was weiß ich ist? Warum und vor allem WANN haben wir uns so beeinflussen lassen? Sind es wirklich nur die Medien? Bekommen wir das vielleicht vorgelebt? Oder hat irgendwann einmal jemand etwas zu uns gesagt, dass sich heimlich tief in unserem Kopf verankert hat?
Tatsache ist aber, dass ich meine Kinder oft ängstlich beobachte, vor allem meine Töchter, und mir Gedanken darüber mache, was sie wohl sehen, wenn sie mich anschauen und wie sie das beeinflusst. Ja, sie sehen ihre “schöne” Mama, die sie liebt und für sie da ist, sie sehen das Gesicht, das ihnen so vertraut ist, wie wahrscheinlich kein Zweites, sie sehen die Arme, die sie halten, die Hände, die sie streicheln, die Augen, die sie (an)sehen und den Mund, der sie küsst. Das bin ich, ihre Mutter.
Aber da ist noch so viel mehr, das sie sehen: Sie sehen eine Frau mit Übergewicht, die mehr mit sich herumträgt, als es nach gängigen Schönheitsidealen noch gut aussieht oder vielleicht gesund wäre. Sie sehen eine Frau, die sich ungern in der Öffentlichkeit auszieht und seit Jahren bestimmte Kleidungsstücke (Bikinis, Miniröcke, kurze Tops) und auch Situationen (Klamotten anprobieren in zu engen Umkleidekabinen, im Freibad ausziehen und mit hunderten von dünnen Menschen ins Wasser gehen, hemmungslos in der Öffentlichkeit tanzen etc.), vermeidet.
Irgendeins meiner Kinder sagte auch als Kleinchen mal: “An dir ist alles groß Mama: dein Busen, dein Bauch, dein Popo und deine Haare!” Und das stimmt. Das hat immer gestimmt, seit ich erwachsen bin und wird wahrscheinlich immer stimmen.
Anna, du schreibst so viel wahres und deine Gedanken sind so zerbrechlich! Ich lese deine Worte immer und immer wieder und nicke. Vor allem aber hast du so verdammt Recht. All das ist eigentlich gar nicht das Problem!
Denn ob meine Kinder es problematisch finden, wie ich aussehe, hat vor allem damit zu tun, ob ich es problematisch finde, wie ich aussehe. Und das schwankt. Eigentlich mag ich mich. Ich mochte mich immer – vielleicht, weil ich Eltern habe/hatte, die mir immer gezeigt haben, dass ich etwas Besonderes für sie bin? Ich wusste immer, dass Schönheit nicht nur das ist, was man von außen sehen kann: Haut, Haare, Figur, Klamotten.
Ich weiß, dass mein Lächeln mich schöner macht als 10 Kilo weniger das könnten und dass mein Blick in das Herz anderer Menschen sie mich in einem helleren Licht sehen lässt, als straffere Haut, ein kleinerer Hintern oder weniger Winkfleisch am Oberarm es vermögen.
Das Problem ist vielmehr, dass unsere Kinder sensible Antennen dafür haben und merken, wenn wir uns unwohl mit unserem Körper fühlen, uns dafür schämen, unseren Körper in bestimmtem Situationen zu zeigen. Wir haben gelernt, mit uns zu leben. Und ja, das gelingt uns mal mehr und mal weniger gut. Aber unseren Kindern müssen wir trotzdem irgendwie ein Vorbild sein mit unserem Körper. Egal, wie sehr wir ihn gerade nicht mögen.
Weißt du, dein Artikel hat in mir einen Nerv getroffen und ich möchte mich dazu endlich auch einmal zu Wort melden. “Endlich auch einmal”, weil ich schon so oft das Gefühl hatte, mich zu dieser Unzufriedenheit gar nicht äußern zu dürfen. Dass es mir gar nicht zusteht. Denn das Gefühl bekomme ich so oft vermittelt. Ich bin nämlich die von der Gegenseite. Die, “die auf Endlosbeinen und mit Mini-Popöchen” an all den anderen Frauen vorbeischwebt… Die, die auf 1,72 Meter nur 53 Kilo auf die Waage bringt. Die, die von einigen sicher dafür bewundert wird. “Und DAS bei 2 Kindern…” Aber weißt du Anna, ich bin mindestens genauso unzufrieden wie du und all die anderen Frauen da draußen. Mit dem Unterschied, dass mir als Dünne scheinbar das Recht abgesprochen wird, diese Unzufriedenheit auch äußern zu dürfen. Ich stehe mit meinem Körper genauso auf Kriegsfuß. Und ich möchte das auch äußern dürfen. Stattdessen höre ich dann Dinge wie “Was willst du denn? Du bist doch groß und schlank und…” Zu jemandem mit Übergewicht würde man das natürlich nicht sagen. Da ist die Unzufriedenheit ja “gesellschaftlich berechtigt”. Und das frustriert mich irgendwie.
Vielleicht entspreche ich dem gesellschaftlichen Ideal etwas mehr als andere. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich damit zufrieden oder gar glücklich bin. Ich mag es genauso wenig wie du, öffentlich im Bikini umherzulaufen. Selbst vor meiner großen Tochter bin ich nicht gern nackt. Trotzdem mache ich all das, um ihr vorzuleben, dass es natürlich ist, sich so zu zeigen, wie man ist. Aber ich fürchte den Tag, an dem sie meinen Körper bewusst mit dem von anderen Frauen vergleichen und dabei feststellen wird, dass ich anders aussehe.
Vor einiger Zeit sagte sie einmal zu mir, dass meine Brüste ja viel kleiner wären, als die meiner Mutter. Um ehrlich zu sein, wusste ich nicht, was ich darauf antworten sollte. Immerhin hat sie sie als solche identifiziert. Aber es sticht offenbar sogar so kleinen Mädchen ins Auge, wie unterschiedlich die Körper ihrer Mütter sind. Denn auch ihre beste Freundin umarmte mich mal und sagte mir dabei ziemlich direkt, dass ich ja viel kleinere Brüste hätte als ihre Mama… Nunja, ich wünschte es wäre anders und ich würde einfach nur etwas “weiblicher” aussehen. Denn meine Kinder werden gewiss nicht zu mir sagen “Du bist die Weicheste von allen”. Es ist nämlich ein Irrglaube und falsches Schönheitsideal, wenn man glaubt, dass hervorstehende Beckenknochen und Rippenbögen und Stockbeine “schön” seien.
Ich erinnere mich an eine Begebenheit als ich in der 12. Klasse war. Wir waren im Skilager in Tschechien. 3 Mädchen und 12 Jungs. Wobei, richtiger wäre 3 junge Frauen und 12 junge Männer, immerhin waren wir um die 18 Jahre alt. An einem Abend haben sich die Herrschaften um uns gekümmert und wollten uns mit einer Massage für die Anstrengungen des täglichen kilometerlangen Skilanglaufs belohnen. Ich ging leer aus. Mit der Begründung, dass ich zu knochig sei. Wie sich das angefühlt hat, muss ich nicht erwähnen.
Ich mag mich heute, so wie ich bin. Auch wenn es Tage gibt, an denen ich mich nicht leiden kann. Ich mag meinen Körper. Irgendwie zumindest. Besonders meine Augen. Und meinen Mund, meine Hände. Früher mochte ich meinen Bauch. Aber der ist – Überraschung! – nach 2 Schwangerschaften mit Monsterbauch nicht mehr wirklich straff und von Streifen durchzogen. Im Grunde ist das egal, denn ich habe 2 wundervolle Töchter geboren. Aber manchmal macht es mich einfach unzufrieden. Genau wie meine Oberweite. Oder dass eben hier und da Knochen rausstehen. Und das möchte ich dann auch sagen dürfen UND verstanden werden. Aber ich habe eben immer wieder das Gefühl, dass ich sowas mit meinem Körper nicht sagen darf, weil ich ja schließlich dünn bin und so aussehe, wie viele sich das möglicherweise selbst wünschen würden. Ich wünsche mir stattdessen, weiblicher auszusehen. Begehrenswerter. Mehr wie eine Frau, weniger wie ein Mädchen.
Sicher mögen jetzt einige denken “Dann iss doch einfach mehr!” Aber wer mich kennt, weiß, dass ich eigenlich gern und nicht wenig esse. Dass ich zu jeder Tageszeit essen kann, Fleisch mein Gemüse ist, Pommes und Burger ein must-have auf meinem Speiseplan sind, ich beim Brunch sofort herzhaft anfange und Schokolade immer geht. Ich bin, was gesunde Ernährung angeht, ganz sicher kein Vorbild. Und ich bin gewiss auch nicht gesegnet mit einem Körper, der alles essen kann, aber nicht zunimmt.
Worum es aber eigentlich geht, war etwas anderes. Die Selbstliebe zum eigenen Körper. Für uns selbst und für unsere Kinder. Und so sehr ich mich auch akzeptiere wie ich bin (trotz der vielen Zweifel, nicht so auszusehen, wie es das Schönheitsideal vorgibt), frage auch ich mich, ob das ausreicht, um meinen Töchtern ein Vorbild sein zu können. Ob sie nicht irgendwann dahinter kommen, dass ich mich hin und wieder unwohl fühle, z.B. wenn ich bauchfrei im Bikini laufe und jeder das vernarbte Gewebe sehen kann oder wenn ich ein tolles Kleid trage, das ich obenrum aber nie ausfüllen kann. Oder sie spätestens in der Pubertät ihre eigene Oberweite, nein ihren ganzen Körper mit dem von anderen vergleichen werden. Und ganz sicher auch mit meinem. Ich überlege, ob meine Statur nicht Anlass für sie wird, das nachahmen zu wollen. Ich habe doch eine Verantwortung…
Ich frage mich schon heute oft, wie ich meine Töchter davor bewahren kann, ein falsches, krankes Bild von sich selbst zu bekommen. Reicht es aus, wenn ich ihnen ein normales Essverhalten vorlebe, ihnen erkläre, dass es wichtig ist zu frühstücken, dass in Maßen alles ok ist, wenn ich ihnen sage, dass sie schön sind, so wie sie sind, wenn ich ihnen zeige, dass ich mich auch ok finde, so wie ich bin? Ich finde diese Verantwortung, gerade bei Töchtern, ungeheuerlich groß.
Und ich fürchte mich, genau wie du Anna, davor, dass sie meinen kritischen Blick, den ich auf mich selbst habe, übernehmen, statt objektiv auf sich selbst zu schauen.
Kinder lernen durch Nachahmung und ich übe einen viel mächtigeren Einfluss auf meine Kinder aus, wenn ich ihnen beispielsweise vorlebe, dass ich meine Hände immer vor dem Essen wasche, als wenn ich es ihnen täglich hundertfünfzig Mal vorbete.
Das weiß ich schon, das erlebe ich täglich im Umgang mit meinen Kindern. Dasselbe gilt aber auch für die Selbstwahrnehmung, für Schönheitsempfinden und für Selbstliebe. Wenn ich als Mutter nicht vorleben kann, dass ich mich mag, dass ich mich okay finde, dann wird meine Tochter das mit hoher Wahrscheinlichkeit übernehmen und ebenfalls keinen sehr liebevollen Blick auf sich selbst richten.
Vielleicht liegt das Geheimnis auch darin, einfach entspannt zu sein. Den Dingen ihren Lauf zu lassen und es wirklich zu akzeptieren, wie man eben aussieht. Vielleicht färbt das mehr auf unsere Kinder ab, als ihnen bewusst etwas vorleben zu wollen. Ich weiß, dass ich sie bestärken werde, dass sie toll sind, so wie sie sind und ich werde ihnen zeigen, dass ihr Körper etwas ganz natürliches und schönes ist, egal wie er am Ende aussieht. Trotzdem werden Zweifel kommen. Sei es nun wegen einer (noch) nicht vorhandener Oberweite, einer völlig falschen Selbstwahrnehmung oder wegen einer langen Narbe längs über den Brustkorb. Meine Aufgabe ist es, meinen Töchtern das nötige Selbstbewusstsein mit auf den Weg zu geben, damit sie sich selbst lieben können.
Ich mache mir so meine Gedanken, auch wenn ich wohl noch etwas Zeit habe, bis das Thema hier wirklich zum Thema wird. Bis dahin übe ich mich in der Selbstliebe zu meinem eigenen Körper. Und das sollten wir alle tun!
plumpine
10/10/2014 at 10:16 (10 Jahren ago)Toll geschrieben!<br />LG Andrea
Die gute Kinderstube
10/10/2014 at 20:17 (10 Jahren ago)Ein schöner, ehrlicher und bewegender Artikel. Danke dafür. Auch für´s Erinnern daran, dass nicht nur übergewichtige Frauen ein Problem mit ihrem Körper haben. Und mehr essen und zunehmen würde an Deinen kleinen Brüsten eben wahrscheinlich auch nichts ändern. Genauso wie mir keine Diät meine Rundungen genommen hat, selbst als ich schlank war. <br />Wir sollten uns alle lieben und auch darauf
Anonymous
11/10/2014 at 05:22 (10 Jahren ago)Daaaanke für den schönen und ja auf einer sehr berührenden Art und Weise, geschriebenen Artikel. <br />Ich habe zwei Jungs aber ich werde das Gespräch mit meiner Mama suchen, sie hat es wunderbar vorgelebt. Nur hatte ich als Teenager Probleme damit und gab LEIDER eben solche verletztende Blicke von mir. <br />Ich finde schon wichtig zu zeigen das man nicht unbedingt zufrieden mit der Aufteilung
Anonymous
13/10/2014 at 15:06 (10 Jahren ago)Ein schön geschriebener Artikel! Ich habe mich beim Lesen der Stelle "Vor einiger Zeit sagte sie einmal zu mir, dass meine Brüste ja viel kleiner wären, als die meiner Mutter. Um ehrlich zu sein, wusste ich nicht, was ich darauf antworten sollte." allerdings gefragt, warum du ihr nicht einfach vermittelst, dass Menschen eben unterschiedlich aussehen und das etwas völlig Normales ist?<br